Optik Grundlagen Teil 1 | Auflösung, Beugung und Seeing

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In the Beginning ....

Bei meinen aktuellen Überlegungen zur Auswahl „meines“ perfekten Newton-Teleskops, wird man mit technischen Qualitätsparametern zugeschüttet und findet sich irgendwann vor lauter „Strehl-Werten“ und „Interferogrammen“ nicht mehr wirklich zurecht. Deshalb: ich versuche mal, bei den Grundlagen anzufangen und mich dann weiter in die Materie einzuarbeiten. In diesem Sinne starte ich wirklich am Anfang mit der wohl ersten Frage als Astronom:

„…warum sehe ich den Stern im Teleskop eigentlich nicht als Punkt?“

…wegen der Diffraktion (=Beugung) und dem astronomischen Seeing. Da haben wir schon die ersten beiden Begriffe …

Beugung und Interferenz

Aufgrund der Wellennatur des Lichts, erzeugt das vom Stern ausgesandte Licht beim Eintritt durch die Teleskopöffnung ein Interferenzmuster, das sog. Beugungsbild (siehe erstes Bild unten). Interferenz bezeichnet dabei die Überlagerung von Wellen, welche durch die Ablenkung (bspw. an Kanten) entsteht, indem sich Wellenberge mit Wellenbergen überlagern (konstruktive Interferenz) oder im anderen Extremfall Wellentäler mit Wellentälern, was als destruktive Interferenz bezeichnet wird.

Für ein perfektes Teleskop (freie Öffnung, keine Abschattungen (Obstruktionen durch Fangspiegelhalter, Streben etc.) und perfekte Optik) würden 84% des gesamten Lichts vom Stern in der Airy Disc (dem Beugungsscheibchen, benannt nach dem Astronomen George Biddel Airy) zu finden sein und der Rest in den Beugungsringen rund um diese Airy Disc. Eine Optik, deren Aberrationen (Abweichungen, Imperfektionen) so gut kontrolliert bzw. behoben sind, dass die maximale Auflösung nur mehr durch die Größe der Airy Disc selbst bestimmt wird, nennt man beugungsbegrenzte Optik (engl. diffraction-limited optics).

Nun ist der Durchmesser (d) des Beugungsscheibchens abhängig von der Wellenlänge des Lichts (λ), der Brennweite (f) und der Öffnung (a) der Optik. Es gilt der Zusammenhang d = 2,44 x λ x f / a. Ein f/4-Optik zeigt bei grünem Licht (mittlerer Bereich des visuellen Spektrums mit einer Wellenlänge von λ = 555 nm) somit ein Beugungsscheibchen von 5,42 µm. Bei einer f/5-Optik (mein aktueller Skywatcher-Newton mit a=200 und f=1.000) wird der Stern als Beugungsscheibchen mit d = 6,77 µm abgebildet, somit mit einem um 25% größeren Durchmesser.

Das Öffnungsverhältnis (f/a) bestimmt somit die Größe des Beugungsscheibchens und somit letztendlich (theoretisch) auch die Auflösung einer Optik.

Zur Vorstellung des Auflösungsvermögens (angegeben in Bogensekunden, arcsec, „) einer Optik kann man sich zwei gleich helle, eng beieinander liegende Sterne veranschaulichen. Bei unterschiedlichen Winkelabständen zeigen sich folgende (simulierte) Bilder (siehe Woodhouse, C. (2017): The Astrophotography Manual, 2nd Ed., p. 33, fig. 3):

Während der Abstand der beiden Sterne in der Abbildung ganz links eine Unterscheidung noch nicht ermöglicht, ist diese – nach dem Rayleigh-Kriterium – beim mittleren Bild bereits möglich. Das Rayleigh-Kriterium definiert einen minimalen Abstand von 0,252 x λ / a. Hier ist also neben der Wellenlänge (λ) nur die Öffnung der Optik relevant. Es zeigt sich bei einem Spiegel von bspw. a = 250 mm und grünem Licht (λ = 555 nm) ein minimaler Abstand (eine max. Auflösung) von 0,56″ (bei meinem aktuellen Skywatcher mit d = 200mm wären es 0,70″). Ab diesem Abstand können die beiden Sterne aufgelöst werden.

Alternativ dazu gibt es noch das sog. Dawes-Kriterium, welches empirisch ermittelt wurde und die Auflösung mit 115,82 / a berechnet. Hier folgen für d = 250 mm eine Auflösung von 0,46″ bzw. bei d = 200 mm eine Auflösung von 0,58″.

Die zuvor berechneten Auflösungen berücksichtigen jedoch einen sehr wesentlichen Faktor nicht: den Einfluss unserer Atmosphäre, der in der Astronomie als „astronomisches Seeing“ bezeichnet wird.

Astronomisches Seeing, …twinkle, twinkle little star!

„Der Romantik dienlich, aber des Astronomen Feind!“ Das zumeist als schön empfundene Funkeln (Zittern) der Sterne ist auf Turbulenzen bzw. Dichteunterschiede in der Atmosphäre zurückzuführen, was schlussendlich zu einer unterschiedlichen Brechung und Streuung des Lichts führt. Bei schlechtem Seeing (schlechte optische Stabilität der Atmosphäre) führen diese Turbulenzen zum Zittern und machen Sterne zu verzerrten, zitternden Objekten (blurred, shimmering stars). Das Sternenlicht passiert schmale (oft wenige Zentimeter dicke) Pakete/Schichten mit unterschiedlichen Dichten und entsprechend unterschiedlichen Brechungsindizes. Dies passiert vornehmlich durch dichtere Schichten in der Nähe der Erdoberfläche, kann aber auch durch Effekte im Tubus von (offenen) Teleskopen passieren (sog. Tubusseeing, beispielsweise durch die turbulenten Strömungen aufgrund der Temperaturdifferenz zwischen der Luft im Tubus und der Umgebungsluft im Freien). Das Seeing beeinflusst entsprechend massiv das Auflösungsvermögen und wird auch in derselben Einheit wie die Winkelauflösung gemessen (Bogensekunden, arcsec, „). Ausgezeichnete Seeing-Bedingungen sind im Bereich von 0,5“ vorzufinden, wobei ein durchschnittliches Seeing im Bereich zwischen 1,5″ und 3,5″ wohl den Standard darstellen dürfte. Eine Nacht mit einem Seeing im Bereich von 2″ ist bereits als „gute Nacht“ zu bezeichnen!

Wie groß ist nun ein 2″ Stern auf dem Sensor? Die Formel Größeprojiziert = Größeangular x f / 206.265 gibt uns die Antwort: demnach folgt für einen Stern bei guten Seeing von 2″ und einer Brennweite von f = 1.000 mm eine projizierte Größe von 9,7 µm. Bei einer Brennweite von 2.800 mm (bspw. einem Celestron C8 oder vergleichbarer (nicht reduzierter) Optik, wäre das Seeing für eine projizierte Größe von bereits 27 µm verantwortlich …). Um nun in Pixeln zu denken, benötigen wir noch die Pixelgröße: meine erste Astrokamera, die ZWO ASI183MC Pro hat sehr kleine Pixel mit nur 2,4 µm. Bei f = 1.000mm wären das 4 Pixel, beim C8 bereits 11 Pixel …

Aber nochmal eine Denkebene höher bzw. zurück: Die theoretische Beugungsbegrenzung beim f/4-Newton mit f = 1.000 mm ergibt sich nach dem Dawes-Kriterium mit ca. 0,50″. Ein gutes Seeing kennzeichnet sich durch ca. 1,5 bis 2,0″, somit dem 3 bis 4-fachen!!

Ein Begriff noch: FWHM

Der engl. Ausdruck Full Width Half Maximum (FWHM, deutsch: Volle Breite bei halber Höhe) und beschreibt die Breite des Peaks in einem Helligkeitsprofil eines Sterns. Darin wird die Helligkeitsverteilung über die Ausdehnung des Sterns dargestellt. In der Astrophotographie bezieht sich FWHM auf die Breite der Sternabbildung auf dem Bildsensor, gemessen an der Stelle, an der die Helligkeit auf die Hälfte des Maximums abgefallen ist. Eine kleinere FWHM deutet auf eine schärfere Abbildung hin, während eine größere FWHM auf eine unscharfe Abbildung oder schlechtes Seeing hindeutet. In der Regel streben Astrophotographen nach einer möglichst kleinen FWHM, um klare und detaillierte Bilder zu erhalten. Die Messung der FWHM kann auch dazu verwendet werden, die Qualität von Teleskopen, Optik und die atmosphärischen Bedingungen während der Aufnahme zu beurteilen.

Ende „Optik Grundlagen Teil 1“ | Fortsetzung folgt!